Behutsam hält Melkamnesh Mekonnen die schlafende Yadata auf ihrem Schoß. Die 30-jährige Erzieherin trägt das Haar zu langen Zöpfen geflochten, die ihr rundes Gesicht umspielen. Ihre Augen fixieren das Kind in ihrem Arm, als versuchte sie zu lesen, was in dem kleinen Kopf vor sich geht. Melkamnesh wird in den kommenden Wochen nicht von Yadatas Seite weichen. Sie wird sie wiegen und füttern, wickeln und waschen, sie in den Schlaf singen. Yadata soll sich an Melkamneshs Geruch gewöhnen, an den Klang ihrer Stimme. Sie soll Vertrauen gewinnen in eine Welt, die ihr bislang wenig Grund gab, zu vertrauen. “Ich muss versuchen, ihr zu geben, was eine Mutter ihrem Kind gibt”, sagt Melkamnesh.
Das Abdii-Borii-Kinderheim steht, von Mauern umgeben, am Rand von Mettu wie eine Welt für sich. Wer das Tor passiert, steht zunächst vor dem Verwaltungstrakt und der Gesundheitsstation. Zwischen blühenden Büschen und unter Mangobäumen führen steinerne Wege zu Wohnhäusern, Hauswirtschaftsräumen, dem Speisesaal und der Bibliothek. Dahinter liegt die hauseigene Farm, wo dicke Kohlköpfe und knallgrüner Salat neben Bananenstauden und Papayabäumen sprießen. Auf der Wiese neben dem Hühnerstall grasen ein paar Kühe. Macht zusammen: acht Hektar Garten Eden. Weitere acht Hektar Farmland liegen etwas außerhalb von Mettu an einem Flussufer. Hier wächst ebenfalls Obst und Gemüse für den täglichen Bedarf in Abdii Borii.