Im Projektgebiet Dano kochen die Menschen in ihren Hütten über offenen Feuern – mit schlimmen Folgen für die Gesundheit. Aus Mangel an Holz verbrennen die Frauen auch trockene Blätter und Stroh.
Im Projektgebiet Dano kochen die Menschen in ihren Hütten über offenen Feuern – mit schlimmen Folgen für die Gesundheit. Aus Mangel an Holz verbrennen die Frauen auch trockene Blätter und Stroh.
Der beißende Rauch verursacht Augeninfektionen und schwere Atemwegserkrankungen, vor allem bei Frauen und Kindern. Deshalb lässt Menschen für Menschen Herde aus Zement herstellen, die Brennmaterial sparen und die Rauchentwicklung minimieren. Zwei Dutzend Arbeiterinnen und Arbeiter stellen die Einzelteile her, die leicht transportiert und in den Häusern zusammengesetzt werden können. Die Öfen werden zu einem stark subventionierten Preis an die Bauern abgegeben. “Sie zu verschenken, wäre ein falsches Signal”, sagt Projektleiter Esrael Asfaw. “Nur was zumindest einen kleinen Betrag kostet, gilt als wichtig und wertvoll.” Im ganzen Land sind dank der Äthiopienhilfe mittlerweile fast 252.691 holzsparende Herde im Gebrauch.
In ihrem Herkunftsland Indien wird die Mango “Königin der Früchte” genannt. Aber auch in Äthiopien ist sie äußerst beliebt. Vor dem Tor der Projektzentrale von Menschen für Menschen in Borecha warten Kinder darauf, eingelassen zu werden und sich an den Früchten kostenlos gütlich zu tun.
Die Stiftung Menschen für Menschen hat aus dem Süden des Landes eine Lastwagenladung Mangos heranschaffen lassen, weil sie dort günstiger sind: insgesamt rund 64.000 Früchte. Zwei Dutzend Tagelöhnerinnen befreien in wochenlanger Arbeit die Mangos vom Fruchtfleisch. So viele können die Kinder nicht alleine essen: auch ihre Familien profitieren von den mitgebrachten Mangostücken und den darin enthaltenen Vitaminen. Doch nicht das süße Fleisch, sondern die Kerne und die darin liegenden Samen sind das eigentliche Ziel der Aktion: In den Baumschulen der Organisation werden daraus Setzlinge gezogen und diese dann zu subventionierten Preisen an die Bauern abgegeben: In einigen Jahren sollen die Kinder Borechas die Königin der Früchte in den Obstgärten ihrer Eltern ernten können.
Über 70 Prozent der Menschen in Äthiopien leben von der Landwirtschaft. Die vorherrschenden tradierten Anbau- und Viehzuchtmethoden bringen meist nur schmale Erträge. Häufig gefährden sie zudem lebenswichtige Ressourcen. Menschen für Menschen unterstützt die Bauernfamilien mit einem Maßnahmenpaket, das an den drängendsten und folgenreichsten Problemen in der jeweiligen Region ansetzt. Fast überall spielt dabei der Kampf gegen die Erosion und Verarmung der Böden eine tragende Rolle.
Die Bauernfamilien im Projektgebiet Borena haben mit enormen Problemen zu kämpfen. Vor allem in den mittleren und oberen Höhenlagen sind die Böden stark erodiert. Die Bäume, deren Wurzeln einst den Boden stabilisierten, wurden gefällt, weil die Bauern Anbauflächen, Bau- und Brennholz benötigen. So schwemmt der Regen den wertvollen Mutterboden weg. Die Folge: Die Äcker geben immer weniger her, die nutzbare Fläche nimmt weiter ab, neues Land muss gerodet werden – ein Teufelskreis. Dabei reichen die Ernten selbst in guten Zeiten oft kaum aus, um die Familien zu ernähren. Kommen dann noch Trockenperioden, Schädlingsbefall oder Krankheiten hinzu, müssen Menschen und Tiere hungern.
Borena verfügt über reiche Wasserressourcen. Die Bauern schöpfen deren Möglichkeiten jedoch bei Weitem nicht aus. Zwar werden traditionell kleine Kanäle und Teiche angelegt, um Getreide und Gemüse in Trockenzeiten bewässern zu können, doch bleibt der Landbau in weiten Teilen abhängig von Wettereinflüssen. Die aber werden mit den aktuellen klimatischen Veränderungen immer unvorhersehbarer.
Die Bewässerungssysteme zu verbessern und mit ihrer Hilfe die Erträge der Bauern zu steigern, war deshalb 2013 eine unserer wichtigsten Maßnahmen. Wir konnten eine Bewässerungsanlage für 18 Hektar Land optimieren. Weiter stellten wir 20 Familien je eine Anlage zur Tröpfchenbewässerung zur Verfügung. Wir motivierten die Bauern, sich in Nutzer-Vereinen zusammenzuschließen und an Trainings teilzunehmen. Dort vermittelten wir ihnen, wie sie die Bewässerungsanlagen nutzen und warten können, welche Pflanzen sich für den Bewässerungsanbau eignen und wie eine gerechte Verteilung des Wassers unter den Nutzern sichergestellt werden kann.
Damit die Familien auf dem bewässerten Land möglichst hohe Erträge erzielen können, führten wir gleichzeitig neue Methoden des Gemüseanbaus ein, schulten die Bauern zu Verfahren des Pflanzenschutzes und errichteten Getreidespeicher, in denen die Ernte vor Schädlingen geschützt ist.
Um die Qualität und Vielfalt der Anbauprodukte zu steigern, stellten wir verbessertes Saatgut und Setzlinge für Gemüse, Getreide, Ölsaaten, Wurzelfrüchte sowie verschiedene Obstsorten bereit.
Daneben setzten wir den Kampf gegen die Erosion weiter fort, ohne den allen anderen Anstrengungen buchstäblich der Boden entzogen würde. Unsere Mitarbeiter in Borena kontrollierten Erosionsgräben und dämmten sie ein, zogen Baumsetzlinge heran und verteilten sie, bepflanzten Dämme mit Setzlingen und sensibilisierten Bauern für die Zusammenhänge der Bodenerosion und mögliche Gegenmaßnahmen.
Wenn die Ernte näher rückt, findet Hussen Endere nur noch wenig Schlaf. Denn dann tauscht er das Holzhaus, in dem er gemeinsam mit seiner Frau Fatima lebt, gegen eine zeltähnliche Hütte aus Ästen und Blättern, die er neben seinem Gemüsefeld aufgestellt hat. Rund zwei Wochen lang verbringt der 46-jährige Landwirt die Nächte in dem Unterschlupf, der keinen Komfort bietet. Dafür hat er aber einen guten Blick auf seine Pflanzen. Und so liegt er dann da, im Mondlicht, unter einer dünnen Decke. In Griffweite: ein kleiner Haufen Steine in Wurfgeschoss-Größe. “Ich döse vielleicht mal ein, aber beim kleinsten Geräusch bin ich sofort hellwach”, sagt Hussen. Die Diebe, die er vertreiben will, kommen auf leisen Pfoten. Es sind Hasen, die wittern, welche Köstlichkeiten hier auf 500 Quadratmetern im sandigen Lehmboden stecken. Faustgroße Rote-Bete-Knollen etwa. Oder knackige Karotten in sattem Orange. Äthiopiens Bodenschätze.
In diesen Nächten bewacht Hussen Endere ein kleines Vermögen: Rund 70 Zentner der schmackhaften Wurzeln hat er bei der vergangenen Ernte aus dem Boden gezogen. Rund 10.000 Birr, umgerechnet etwa 400 Euro haben Fatima (39) und er dafür auf dem Markt erhalten.
Noch vor anderthalb Jahren wuchsen auf derselben Fläche 100 Kilo Weizen mit einem Verkaufswert von 1.600 Birr, umgerechnet rund 65 Euro. Und weil sich oberhalb des Feldes eine Quelle befindet, kann Hussen Endere es sogar regelmäßig bewässern. “Auf diese Weise können wir bis zu drei Mal im Jahr Gemüse ernten”, erklärt er.
Zwei Jahre ist es her, dass Mitarbeiter von Menschen für Menschen das Dorf Bille Agere in der Projektregion Wore Illu erstmals aufsuchten, um Hussen und den anderen Bauern von den Vorteilen des Gemüseanbaus zu erzählen. Sie erklärten ihnen, wie wichtig eine ausgewogene Ernährung für die Gesundheit ist. Und sie rechneten ihnen vor, wie viel sie ernten und welchen Umsatz sie auf den Märkten machen könnten. Etwa ein Drittel der Menschen in den Entwicklungsländern ist von chronischer Mangelernährung betroffen. Der Grund dafür ist, dass die Menschen sich nur Brot und Brei aus verschiedenen Getreidesorten leisten können. Essen, das zwar den Magen füllt, dem aber wichtige Nährstoffe wie Vitamin A, Jod, Zink oder Eisen fehlen. Zieht sich dieser einseitige Speiseplan über einen längeren Zeitraum, können “Mikronährstoffdefizite” auftreten, der so genannte “versteckte Hunger”. Seine Folgen für Erwachsene sind Mangelerscheinungen wie Erschöpfung und Anfälligkeit für Infekte. Während der Schwangerschaft kann die Mangelernährung zu Fehlentwicklungen beim Ungeborenen führen. Zudem haben die Mütter nach der Geburt oft nicht genug Muttermilch, um zu stillen. Für viele Kinder beginnt auf diese Weise ein Leidensweg, der sich nicht selten mit den Jahren verschlimmert: Nährstoffmangel kann Wachstumsstörungen, Behinderungen, Immunschwäche, Blindheit und viele weitere gesund heitliche Schäden nach sich ziehen. Unicef zufolge ist jedes vierte Kind auf der Welt mangelernährt.
Was die Mitarbeiter von Menschen für Menschen über das Gemüse und seine Wirkung erzählten, leuchtete den Bauern aus Bille Agere zwar ein. Viele von ihnen hatten Kartoffeln oder Karotten auch schon auf dem Markt gesehen – allein das hatte gereicht, um ihr Interesse zu wecken: Gemüse lässt sich vergleichsweise teuer verkaufen.
Und doch scheuten die meisten den Anbau. Was, wenn das Experiment scheitern würde? Sie hätten wertvolle Feldfläche verschenkt und würden einen Teil ihrer Ernte verlieren. Ein Opfer, dass sich äthiopische Kleinbauern nicht leisten können. Die ersten, die den Schritt wagten, waren Hussen Endere und seine Frau Fatima. Sie hatten zwar auch noch nie Gemüse angebaut, doch die Quelle oberhalb eines ihrer Felder erhöhte die Chancen auf gute Erträge. Also säten sie Karotten und Rote Bete, zunächst auf 50 Quadratmetern.
Das entspricht einem Prozent ihres gesamten Ackerlandes. “Wir wussten nicht, was passieren würde”, erzählt Hussen. “Aber die Mitarbeiter von Menschen für Menschen haben ja an Universitäten studiert. Ich dachte mir: Sie werden schon wissen, was sie tun.” Der Mut sollte sich auszahlen. Wenige Monate später zogen Hussen und Fatima die ersten dicken Knollen aus dem Boden. Und säten wieder Karotten und Rote Bete, diesmal allerdings schon auf 500 Quadratmetern Land. Kaum hatte der Bauer die ersten Wurzeln geerntet, zogen die Nachbarn nach und dann weitere Familien aus der Umgebung. Mittlerweile ist die Zahl der Gemüsebauern in der Gegend um das Dorf Bille Agere auf 74 gestiegen. Auf insgesamt 10 Hektar Land wachsen jetzt neben Zwiebeln und Kohl auch Kartoffeln, Rote Bete und Karotten.
Mangelernährung ist kein Problem, das nur Menschen in den Entwicklungsländern betrifft. Auch in der Überflussgesellschaft kann falsche Ernährung zu Mangelerscheinungen führen. Gleichwohl lebt die überwältigende Mehrheit der rund zwei Milliarden Menschen, die an “verstecktem Hunger“ leiden, in den Entwicklungsländern.
Der Schlüssel zu einer besseren Versorgung dieser Menschen ist eine innovative Landwirtschaft. Sie schafft Ernährungssicherheit und kann zum Motor einer erfolgreichen, nachhaltigen Entwicklung werden. Zudem bietet sie jungen Menschen Beschäftigung und wirkt so der anhaltenden Landflucht entgegen. Die Zukunft der Entwicklungsländer scheint sich auf dem Land zu entscheiden. Und das Ziel, das die UN formuliert haben, ist ehrgeizig: Um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, müsse die globale Landwirtschaftsproduktion bis 2050 um 60 Prozent gesteigert werden.
Es ist später Nachmittag, die Sonne steht nicht mehr so hoch am Himmel. Zeit, die Felder zu bewässern. Hussen Endere zieht sich die Schuhe aus, krempelt die Hosenbeine hoch und marschiert mit einer Hacke über der Schulter zu dem Bachlauf oberhalb seines Feldes.
Hier oben hat er einen kleinen Damm aus Erde errichtet. So sammelt sich das Wasser in einer Senke. Mit ein paar Hieben mit der Hacke öffnet er nun den Damm – schon plätschert das Wasser talwärts und flutet allmählich sein Gemüsefeld.
Während Hussen und seine Frau durch ihr Feld waten, haben sich ein paar hundert Meter weiter, im Gemeindehaus von Bille Agere, Dutzende von Frauen aus dem Dorf zum gemeinsamen Kochen versammelt. In mehreren Teams schälen und hacken sie die neuen Gemüsesorten und verrühren sie zu würzigen Eintöpfen. Auf einer Bank werden die fertigen Gerichte aufgereiht und verkostet. Im Anschluss tauschen die Frauen untereinander Rezepte und Tipps aus.
“Der Anbau der neuen Pflanzen ist der erste wichtige Schritt. Der zweite besteht darin, die Ernährungsgewohnheiten der Menschen zu verändern“, sagt Zumera Eberia.
Die 25-jährige Sozialarbeiterin leitet das Frauenprojekt in Bille Agere, zu dem neben der Kochaktion auch die Verbesserung der hygienischen Situation in den Haushalten und die Verteilung von holzsparenden Öfen zählt. Vor allem die Männer seien stur, was ihre Ernährung betreffe, weiß Abiot. Am liebsten äßen sie “Injera”, ein Fladenbrot aus Sauerteig mit “Shiro”, einem würzigen Bohnengericht.
“Es dauerte eine Weile, bis sie die neuen Gerichte kosteten”, sagt auch Taito Muhye, 43, die Sprecherin der Frauengruppe von Degnu. Nach einiger Zeit aber hätten sie sich darauf eingelassen. “Und jetzt merken sie, wie gut ihnen diese Speisen tun.” Vor allem die Kinder klagten weniger über Bauchschmerzen, seien kräftiger und seltener krank.
Den Kindern von Hussen und Fatima geht es auch besser, seit zu Hause mehr Gemüse auf dem Speiseplan steht. Eine wichtige Voraussetzung auch für Erfolg in der Schule. Anders als ihre eigenen Eltern, bestehen Hussen und Fatima nicht darauf, dass die Kinder den Hof übernehmen. Wichtiger erscheinen ihnen ein guter Schulabschluss und eine Berufsausbildung. “Bei uns im Dorf träumen viele junge Leute davon, ins Ausland zu gehen, nach Saudi-Arabien zum Beispiel. Aber wer dann geht, kehrt oft bitter enttäuscht wieder zurück.” sagt Hussen Endere. “Meinen Kindern will ich das ersparen. Ich will ihnen zeigen, dass dieses Land in Wahrheit reich ist, wenn wir nur alle hart dafür arbeiten.”
“Früher baute ich Weizen an – und war arm: Ich verdiente nur 4.000 Birr im Jahr (160 Euro). Aber dann half uns Menschen für Menschen. Sie brachten Material und Maurer, die uns zeigten, wie man einen Bewässerungskanal bauen. Jetzt können wir Bauern das Wasser vom Fluss auf unsere Felder leiten”, so Said Ahmed.
“Die Experten erklärten uns auch, wie man all diese Gemüsesorten anbaut, die wir bislang kaum kannten. Wie früher pflanze ich Zwiebeln an; aber jetzt sind auch Tomaten, Rote Bete, Kartoffeln und Salat hinzugekommen. Dass unser Gemüse jetzt so üppig wächst, das haben auch die Stachelschweine entdeckt.
Aber mein zwölfjähriger Sohn Kamal und ich sind auf der Hut. Wir verbringen die Nächte in einer Hütte aus Stroh direkt am Gemüsefeld, um die gefräßigen Tiere in Schach halten zu können. Unsere schöne Ernte erzielt auf dem Markt in der Bezirksstadt gute Preise. Mein Jahreseinkommen ist jetzt sieben Mal höher! Ich kann sagen: ich bin ein reicher Mann.”
Merdia Adem ist stolz auf den Landwirtschaftspreis, den sie von Beamten für ihren mustergültigen Hof mit prächtigen Hühnern und üppigen Gemüsebeeten erhalten hat. “Letztlich habe ich den Preis Menschen für Menschen zu verdanken”, sagt die 40-jährige Bäuerin.
Früher machten Merdia Adem ihre Hühner keine rechte Freude. Es waren kleine, zähe Tiere mit wenig Fleisch. Nur jeden zweiten Tag legten sie ein winziges Ei. Und abends, wenn die Bäuerin aus Borecha nachzählte, fehlte häufig eines: Die Hühner liefen frei herum und immer wieder schlug einer der Milane zu, die am Himmel ihre Kreise zogen. Heute gibt es für die Greifvögel keine Beute mehr zu holen: Merdias Federvieh schläft jetzt in einem akkurat errichteten Hühnerhaus, die Wände sind aus Bambus geflochten, das Dach mit Stroh gedeckt. Der Auslauf ist eingezäunt, unbehelligt darf der Hahn seinen leuchtenden Kamm präsentieren und sich als Herr der Lage gebären. Die gut genährten Hennen mit ihrem dichten, gesunden Gefieder scharren selbstvergessen, in einem extra Gatter pickt ein halbes Dutzend Küken um die Wette
Die Äthiopienhilfe hat Merdia Adem zu ihrer Bilderbuch-Hühnerzucht angeregt: Die Stiftung bringt Vogelarten, die leistungsfähiger sind als die lokalen Arten, in die entlegenen Projektgebiete und gibt sie zu einem subventionierten Preis ab.
Jede Bäuerin kann fünf Hühner und einen Hahn bekommen. Die Landwirtschaftsexperten von Menschen für Menschen geben Kurse, wie die Tiere gehalten werden müssen, damit die Bauernfamilien den maximalen Nutzen daraus ziehen. “Die Hühner geben nun jeden Tag ein schönes Ei”, sagt Merdia Adem. “Wir haben nicht nur genug für den Eigenverbrauch, sondern können Eier und Junghühner auf dem Markt verkaufen.”
Schon vor rund einem Jahrzehnt starb Merdias Mann Sutuma. Merdia war mit sieben Kindern plötzlich allein. Umso erstaunlicher ist der relative Wohlstand auf ihrem Hof: Im Haus gibt es lokal produzierte Holzmöbel und eine solarstrombetriebene Lampe. Mit einem billigen Mobiltelefon hält die 40-jährige Kontakt zu einem ihrer Söhne, der in der Stadt Yanfa die weiterführende Schule besucht. Sie hat die 14-jährige Betuka und den zehnjährigen Abdo aufgenommen, die Kinder ihres Bruders, der zu arm ist, um sie durchzubringen.
Für ihren Erfolg gäbe es zwei Gründe, sagt die Bäuerin. Erstens: “Meine Kinder und ich ziehen alle an einem Strang.” Zweitens: “Alles, was man auf meinem Hof sieht, kam durch Menschen für Menschen. Ich befolge jeden Rat der Landwirtschaftsexperten und betreibe meinen Hof so, wie ich es in den Trainings gelernt habe.”
Auf den Gemüsefeldern wachsen Rote Bete, Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch in gut gepflegten Beeten. Das Saatgut hat sie von der Äthiopienhilfe erhalten. Das Gemüse gedeiht in so einer Pracht, dass Merdia unlängst einen Landwirtschaftspreis der Regierung erhielt: “Ich sei ein Vorbild für andere, sagten die Beamten”, erzählt Merdia und lächelt bescheiden.
Wie lässt sich Entwicklung in einem abgelegenen Dorf am besten verbreiten? Menschen für Menschen setzt auf Modell-Farmer: Mutige Frauen und Männer, die Neuerungen gegenüber aufgeschlossen sind, werden besonders gefördert. Im Dorf Thaye wurde die Bäuerin Melke Jemam so zum Vorbild für andere Familien.
Neun Jahre war Melke Jemam in der Schule und immer begierig darauf, Neues zu erfahren. Doch dann war mit dem Lernen Schluss: Weder gab es eine weiterführende Schule im Dorf noch Ausbildungsplätze. Also wurde sie Hausfrau und Bäuerin, wie alle anderen Frauen auch.
“Aber wie ausgetrocknete Erde sich nach Regen sehnt, so dürstete ich nach Wissen”, sagt die 38-Jährige. Als Menschen für Menschen in ihr Dorf Thaye im Projektgebiet Wogdi kam, erkannte sie ihre Chance – und wurde “Modell-Farmerin”: “Ich nehme an Kursen teil, mit dem neu erworbenen Wissen kann ich mein Leben ändern – und das von anderen auch.”
“Viele Bauern neigen dazu, Neues abzulehnen”, erklärt Adane Nigus, Projektleiter von Menschen für Menschen in Wogdi. “Denn Neues bedeutet zunächst immer ein Risiko.”
Deshalb seien mutige Menschen wie Melke Jemam so wichtig: “Wir geben ihr und anderen Modell-Farmern Trainings in verbesserten landwirtschaftlichen Methoden und versorgen sie mit Gemüsesamen, Hühnern und anderem Input.” Als Gegenleistung geben die Landwirte ihr neues Wissen an Verwandte und Nachbarn weiter: “So strahlt Fortschritt und Entwicklung in ganze Dörfer aus.”
Melke Jemam kocht jetzt an einem holzsparenden, raucharmen Zementofen. Die Mutter von vier Kindern hat bei der Äthiopienhilfe einen Kurs in Hauswirtschaft belegt und gelernt, wie man möglichst effizient Gemüse zieht und Hühner hält. Sie hat erfahren, wie sie ihre Kinder abwechslungsreich ernähren kann.
Und dass es aus hygienischen Gründen nicht gut ist, wenn das Federvieh auch im Haus herumpickt. Ihr Mann hat nach ihren Anweisungen eine Latrine gebaut, so wie es die Entwicklungsberater erklärt haben. “Besser wir reden nicht über die Vergangenheit!”, sagt die Bäuerin und schüttelt den Kopf.
Früher mussten sich die Familienmitglieder draußen im Busch erleichtern. Was die Fliegenplage verstärkte und Krankheiten wie Durchfall und Augeninfektionen Vorschub leistete – und natürlich als würdelos empfunden wurde.
“Ich kann gar nicht sagen, was die wichtigste Veränderung durch Menschen für Menschen ist”, sagt Melke Jemam. “Ganz wichtig ist, dass wir jetzt besser essen und mehr Einkommen haben.” In einem Kurs der Stiftung lernte sie das Schneidern. Nun näht sie Röcke für Nachbarinnen und Schuluniformen für die Kinder.
Aber am meisten verdient die Familie mit dem Verkauf von Gemüse. Ihr Feld kann bewässert werden, dadurch können Melke Jemam und ihr Ehemann ständig säen und ernten und die Überschüsse auf dem lokalen Markt verkaufen. “So wird auch das Nahrungsangebot für die Bevölkerung in der Region insgesamt besser”, freut sich Projektleiter Adane Nigus.
Es gackert und kräht überall in der äthiopischen Region Dale Wabera. Hühner gehören hier nahezu auf jeden Hof. Eier legen die heimischen Arten aber wenige. Das “Hühnerset”, das Menschen für Menschen an die Familien verteilt, ändert das. Diese legen im Vergleich zu den herkömmlichen Hühnern bis zu fünf Mal so viele Eier. Eine wertvolle Bereicherung für die Ernährung und für ein kleines Einkommen abseits der Landwirtschaft. Auch Jamila Mohammed setzt auf die Hilfe im Federkleid.
Freudiger Empfang auf dem Gelände der regionalen Projektzentrale der Äthiopienhilfe in Kake. Erwartet werden: Großstadthühner. Hochgewachsen, kräftig, legefreudig. Anschließend wird die begehrte Fracht verladen und zu den Familien auf die Dörfer gebracht. Zehn Kilometer weiter wartet auch Jamila Mohammed darauf, ihre neuen gefiederten Haustiere kennenzulernen: Fünf Hennen und ein stolzer Hahn werden auf ihren Hof in Jaro Chaffe einziehen.
Bislang hatte die 35-Jährige wenig Freude mit ihren Hühnern. Ihre kleinen, zähen Tiere legten mit etwas Glück ein winziges Ei in der Woche. Und weil sie überall frei herumliefen, waren sie leichte Beute für Greifvögel und streunende Hunde. So fehlte häufig eins, wenn die Bäuerin am Abend nachzählte.
So wie Jamila Mohammed geht es vielen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in der Region Dale Wabera. Mit den neuen Hühnern ändert sich das.
Die Äthiopienhilfe kauft die Tiere in Addis Abeba und gibt sie als “Starthilfe” günstig an die Familien. Die Hühner haben nicht nur mehr Fleisch auf den Knochen als die lokalen Arten. Sie legen auch gut fünf Mal mehr Eier – ein wertvolles Plus für Speiseplan und Geldbeutel. Die Idee der Hilfsorganisation reicht aber weiter. “Wir wollen, dass sich unsere Tiere mit den hiesigen Arten kreuzen”, erläutert Landwirtschaftsexperte Zerihun Gezahegn von Menschen für Menschen. “Die heimischen Hühner haben nämlich einen Vorteil: Sie sind viel besser an die Umwelt angepasst. Die neue Züchtung soll dann leistungsfähig und robust zugleich sein.”
Soweit der Plan. Nicht immer laufe das aber reibungslos, räumt der Projektleiter ein: “Die lokalen Hennen sind oft zu klein für die kräftigen Hähne. Vor allem aber neigen die neuen Hühner dazu, sich schneller mit Krankheiten anzustecken, als wir dachten.”
Den Familien verlangt die Haltung also viel ab. Die Hühner bekommen sie deshalb erst, wenn sie einen Stall mit eingezäuntem Auslauf gebaut haben und einen speziellen Kurs besucht haben.
“Wir unterstützen die Bäuerinnen und Bauern und beraten sie beim Bau artgerechter Hühnerhäuser. Außerdem lernen sie in unseren Schulungen, wie sie die Hühner so halten, dass sie sich gut entwickeln.” – Landwirtschaftsexperte Zerihun Gezahegn
In Jaro Chaffe ist Jamila Mohammed jetzt gut auf ihre Geflügelschar vorbereitet. Allein um das spezielle Training zu besuchen, lief sie die drei Stunden bis nach Kake an vier Tagen. Den Fußmarsch nahm sie gern auf sich. “Ich weiß jetzt, dass sich meine Hühner am liebsten in ihrem neuen Stall aufhalten und wie ich sie mit besonderem Futter viel besser versorgen kann”, erzählt sie stolz.
Gute Tipps hat auch ihre Freundin Addidi Guso für sie. Denn die Hennen von Familie Lamu sind inzwischen nicht nur gut genährt mit einem dichten, gesunden Gefieder. Allein mit dem Verkauf der Eier verdient die Mutter in der Woche fast 100 Birr (entspricht derzeit rund 3 Euro). Ihr Geheimnis für besonders große Eier ist etwas Sesam, das sie in das Futter mischt.
Jamila möchte all das Gelernte selbst versuchen. Das Gackern auf ihrem Hof sei jetzt auch Vergnügen. Es klingt nach einer besseren Zukunft für sie und ihre Familie in Jaro Chaffe.
Um Bauern und Landwirtschaft in Äthiopien zu stärken, arbeitet Menschen für Menschen eng mit Familien in ländlichen Regionen zusammen. Mitarbeitende der Stiftung unterstützen sie dabei, neue Anbaumethoden zu testen, die eine reichere Ernte versprechen und helfen ihnen, Haus und Hof neu zu organisieren.
Die Sonne steht schon tief, als Mulu Mergia das Grundstück von Bekana Sirna erreicht. „Bekana, ich bin es“, ruft sie, öffnet das klapprige Gatter zu seinem Garten und krault den kleinen Hund, der ihr halb freudig, halb müde entgegenspringt.
Vier Kleinbauern hat Mulu heute schon besucht, hat Getreide, Gemüse und Vieh begutachtet – und gemeinsam mit ihnen Zukunftspläne geschmiedet. Bekana und seine Familie sind die letzten für heute, bei Dunkelheit will sie zu Hause sein.
Mulu Mergia ist als “Development Agent” bei Menschen für Menschen in der Projektregion Dano, rund 200 Kilometer westlich von Addis Abeba, tätig. Die Aufgabe der studierten Agrarexpertin ist es, die Erträge der Kleinbauern und -bäuerinnen in der Region zu steigern. Ihre Kundschaft: 35 “Modellfarmer”. So nennt die Stiftung Landwirtschaftsbetreibende, die sich besonders offen für Veränderungen zeigen – und mittelfristig anderen Bauern und Bäuerinnen als Vorbilder dienen können. “Sobald unsere Modellfarmer und -farmerinnen Erfolge verzeichnen, kopieren die übrigen ihre Methoden”, weiß Mulu. “So können wir langfristig die Landwirtschaft einer ganzen Region verändern.”
Wenig später sitzen sie auf kleinen Holzschemeln unter einem der Bäume in seinem Garten: Der Kleinbauer Bekana Sirna, die schmutzige Hose in die Gummistiefel gesteckt, und Mulu Mergia in geblümter Bluse. “Ich pflanze Mais, Sorghumhirse und Teff an”, erzählt Bekana. “Doch was ich ernte, reicht gerade so für die Familie.” Er sagt, er würde gerne etwas mehr produzieren, um Frau und Kindern mehr Sicherheit bieten zu können. “Ich weiß aber nicht, wie ich das machen soll.”
“Du solltest Kaffee und Soja anpflanzen”, rät Mulu. “Die Preise auf dem Markt sind gut.” “Und die Einnahmen könntest du wieder investieren – zum Beispiel in eine Bienenzucht.” Bekana überlegt einen Moment. “Früher hatte ich mal Bienen”, erinnert er sich und zeigt auf einen verwaisten Bienenstock, der in einem Baum in seinem Garten hängt. “Aber der Ertrag war immer mager.” Mulu sagt: “Dann zeigen wir dir, wie man einen modernen Bienenkasten baut, mit dem du viel mehr Honig produzieren kannst”. Bekana schaut zu dem alten Bienenstock hinüber. „Meinst du wirklich?”
Kaffee und Soja statt Hirse und Mais: Was nach einer einfachen Umstellung klingt, ist für viele äthiopische Kleinbauern kaum realisierbar. Zwar gelten gerade Kaffee und Soja als „Cash Crops“, also Pflanzen, deren Früchte sich zu Geld machen lassen. Doch in der Regel fehlen Menschen wie Bekana die Mittel, um in Setzlinge zu investieren. Zudem dauert es einige Jahre, bis die jungen Pflanzen gewachsen sind, und gute Erträge liefern – Jahre, in denen an dieser Stelle kein Getreide wachsen kann.
Und dann ist da noch die Angst, das Experiment mit den neuen Pflanzen könnte scheitern. In diesem Fall hätte man einen Teil der Getreideernte umsonst geopfert. „Bauern wie Bekana wirtschaften am Existenzminimum“, sagt Mulu. „Sie können sich keine Verluste leisten.“ Zudem fehle es an Know-how. „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit ihnen das landwirtschaftliche Potenzial zu heben.“ Um das Risiko der Modellfarmer und -farmerinnen zu mindern, unterstützt Mulu sie intensiv beim Umbau ihrer Landwirtschaft. Sie schenkt ihnen Setzlinge und zeigt, wie man sie erfolgreich zieht. Dabei achtet sie darauf, dass die Bauern die neuen Pflanzen nur auf einem Teil ihres Landes setzen. Zudem verteilt sie Setzlinge mit unterschiedlichen Reifezeiten: Kaffeepflanzen oder Obstbäume tragen erst nach einigen Jahren Früchte, doch Gemüse wirft bereits nach kurzer Zeit Erträge ab. „Ich begleite die Bauern so lange, bis der nachhaltige Erfolg der Umstellung gesichert ist.“
„Ich begleite die Bauern so lange, bis der nachhaltige Erfolg der Umstellung gesichert ist.“ – Mulu Meriga
Seit der Gründung der Stiftung Menschen für Menschen im Jahr 1981 hat sich die Zahl der Menschen in Äthiopien von 36 auf 106 Millionen etwa verdreifacht. Mittlerweile sinkt zwar die Geburtenrate, doch die Bevölkerung wächst weiter – und mit ihr der Bedarf an Lebensmitteln. Schon heute leben die meisten hungernden Menschen in Afrika und Asien – und die Mehrheit von ihnen auf dem Land, dabei werden gerade dort die meisten Lebensmittel hergestellt. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) produzieren Kleinbauern und -bäuerinnen in Afrika und Asien rund 70 Prozent der lokalen Lebensmittel. Das bedeutet auch: Sie sind der Schlüssel zur Ernährungssicherheit ihrer Länder. “Wer die wachsende Bevölkerung in Äthiopien versorgen will, muss die Kleinbauern fördern”, sagt Mulu Mergia.
Wie das gelingen kann, zeigt die Geschichte von Tesfaye Dhaba.
Der Kleinbauer lebt mit seiner Frau Meseret und den gemeinsamen Töchtern Birtukan und Chaltu nur wenige Kilometer von Bekana Sirna entfernt. Bis vor etwa zwei Jahren baute Tesfaye, ähnlich wie Bekana, ausschließlich Teff und Sorghumhirse an.
Auch er konnte seine Familie mehr schlecht als recht ernähren. Um zusätzlich etwas zu verdienen, half er anderen Bauern bei ihrer Ernte. Ein schlecht bezahlter Nebenjob.
Vor etwa drei Jahren traf Tesfaye zufällig bei einem Nachbarn auf Mulu Mergia. Sie hatte dem Nachbarn Kaffeesetzlinge mitgebracht und erklärte ihm, worauf man achten muss, wenn man sie pflanzt. Tesfaye fragte, ob er auch solche Setzlinge haben könne, und schon am nächsten Tag stand Mulu vor seiner Tür – mit 50 Pflänzchen. “Manche Menschen sind eher bereit, ein Risiko einzugehen”, berichtet Mulu. Als Tesfaye die Kaffeepflanzen sah, habe er sich doch ein wenig gefürchtet vor der Veränderung. “Aber ich dachte mir: Wenn sie studiert hat, wird sie schon wissen, wovon sie spricht”, sagt er. Und so machten die beiden sich an die Arbeit.
Wenn Mulu Mergia heute skeptischen Bauern zeigen will, was sie mit ihrer Hilfe erreichen können, geht sie mit ihnen in Tesfayes Garten.
Sie zeigt ihnen die Beete, in denen Zwiebeln, Rote Bete und Chilis sprießen, das Elefantengras, mit dem Tesfaye das Vieh füttert. Und weiter hinten die kniehohen Kaffeepflanzen – rund 700 Stück sind es mittlerweile. “In drei Jahren werfen diese Pflanzen 20 Zentner Kaffee ab“, schätzt sie. Tesfaye muss schmunzeln, wenn er an diese Besuche denkt. “Manche Bauern, die hier waren, hatten Zweifel”, erinnert er sich. Sie seien es nicht gewohnt, dass eine Frau Anweisungen gebe. “Aber wenn sie sehen, wie Mulu auf dem Feld die Hacke schwingt, folgen sie ihrem Rat.”
Fünf Kühe hatte Tesfaye, als Mulu ihn kennenlernte. Mit Unterstützung von Menschen für Menschen stockte er seine Herde auf zwölf Tiere auf: zehn Milchkühe und zwei Ochsen. Die Ochsen kauft Tesfaye, wenn sie noch jung sind, um sie später, wenn sie größer und kräftiger sind, gewinnbringend zu verkaufen. Das gut genährte Tier, das in seinem Vorgarten grast, sei bald soweit, sagt Tesfaye. Neu sind auch zwölf Bienenkästen, ganz hinten im Garten: 14 Kilo Honig produziert Tesfaye jedes Jahr. Daneben steht ein kleiner Eukalyptushain. “Das Holz nehmen wir für den Ofen und für Reparaturen am Haus”, erzählt er. Ein neues Kornsilo aus Lehm schützt das Getreide vor Ratten und anderen Tieren.
Nach einiger Zeit brachte Mulu eine Kollegin mit. Seblework Negash ist Sozialarbeiterin bei Menschen für Menschen. Sie hilft Familien wie der von Tesfaye dabei, Haus und Hof neu zu organisieren.
Mit Hilfe der Stiftung ersetzten Tesfaye und seine Frau Meseret ihre windschiefe Holzhütte mit Grasdach durch ein Haus mit abgetrennter Küche und holzsparendem Herd. In einer Ecke des Gartens installierten sie eine geschlossene Latrine. “Mangelnde Hygiene ist der Grund für viele Krankheiten”, weiß Seblework. “Wenn wir die größten Gefahren wie Tiere in der Küche oder offene Latrinen bannen, können wir viel verändern.”
Doch auch starker Regen kann Feldern und Weideland Schaden zufügen, vor allem, wenn das Land gerodet oder überweidet ist und keine Bäume, Büsche oder Gräser die talwärts stürzenden Wassermassen bremsen. Dann schwemmen die Fluten wertvollen Mutterboden fort und fräsen im Laufe der Zeit tiefe Gräben ins Land, die den Ackerbau zusätzlich erschweren.
Ein solcher Erosionsgraben klafft wie eine Wunde auch im Land von Abol Ali. Der 46-jährige Kleinbauer pflanzt Getreide und Hülsenfrüchte in der Hügelland schaft am Rand des Dorfes Aba Grigia im Projektgebiet Wore Illu an. Oberhalb seiner Felder stand einst ein Eukalyptuswald, doch die Bäume fielen längst dem Hausbau in der Gegend zum Opfer.
Die Folge: In den Regenzeiten spülen die Wassermassen wertvolles Erdreich talwärts. Der Graben, der dadurch auf Abol Alis Land entstand, beginnt als kleiner Riss und wächst binnen 100 Metern Länge zu einer regelrechten Schlucht heran. Breite: 20 Meter, Tiefe: 7 Meter. “Die Erosion und der Graben haben meine Ernte zuletzt von Jahr zu Jahr schrumpfen lassen”, sagt Abol Ali.
Gemeinsam mit den Bauern will Menschen für Menschen die landwirtschaftliche Produktivität steigern. Dazu gehören neben dem Einsatz effektiver Anbaumethoden auch Maßnahmen zum Erhalt der natürlichen Ressourcen, die die Erosion und das Auslaugen der Böden verhindern. Denn genügend fruchtbare Acker- und Weideflächen bedeuten auch: genug Nahrungsmittel für die Bauern und Hirten und ihre Familien. Viele von ihnen können auf diese Weise sogar neue Einkommensquellen durch den Verkauf von Erzeugnissen auf dem Markt erschließen.
Vor dem Start eines Projektes erstellen Mitarbeiter von Menschen für Menschen eine Bedarfsanalyse für die Region. Unsere einheimischen Entwicklungsberater erläutern den Kleinbauern die Vorteile der Vorhaben und Maßnahmen im Bereich Ressourcenschutz und wählen innovationsfreudige Bauern aus.
Der Erfolg dieser “Modellfarmer”, die unter anderem aufgrund von Bodenstabilisierungsmaßnahmen und Baumanpflanzungen bereits nach einem halben Jahr mehr Ernte einfahren, überzeugt in der Regel auch jene Bauern, die zuerst skeptisch waren. “Derzeit arbeiten wir an der Aufforstung von 237 Hektar Wald. Zudem stabilisieren wir Erosionsgräben auf einer Länge von insgesamt 21 Kilometern”, sagt Nigistu Eshetu, 30 Jahre, Projektmanager für Aufforstung in Wore Illu.
Gemeinsam mit Menschen für Menschen ist Abol Ali die Rückgewinnung seines Ackerlands angegangen. Auf der Hügelkuppe oberhalb seines Hauses hat er 2.000 Eukalyptussetzlinge gepflanzt, die er von der Stiftung erhalten hat. In wenigen Jahren werden sie zu einem Wäldchen herangewachsen sein, das den Boden stabilisiert. Darunter, an den Rändern seiner Terrassenfelder, sprießen jetzt Büsche und dichte Gräser. Sie festigen den Boden und dämmen so die weitere Erosion ein. Ein größeres Problem ist der Graben: Er ist zu mächtig, als dass man ihn mit Schaufeln zuschütten könnte.
Deshalb hat Menschen für Menschen mit der Hilfe zahlreicher Dorfbewohner steinerne Talsperren im Graben installiert. Oberhalb dieser sogenannten “Gabionen” staut sich das abfließende Wasser. Das Erdreich, dass es mit sich führt, bleibt wie in einem gigantischen Sieb hängen, wodurch der Graben bei jedem Regenguss gleichsam ein Stück weiter zuwächst. Neu gepflanzte Bäume und Gräser stabilisieren den Boden zusätzlich. Die Wunde verheilt.
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