Wirtin präsentiert zwei Flaschen selbstgebrauten Honigwein

Die kluge Wirtin

Die kluge Wirtin

Einen Namen hat Almaz Gebremedene ihrem Wirtshaus in der Kleinstadt Lalo im Projektgebiet Dano nie gegeben. Aber die Gäste nennen es “Badasse”, das heißt “eines Preises würdig”. Früher habe sie als Putzfrau gearbeitet und ein schlechtes Auskommen gehabt: “Dass ich jetzt so erfolgreich bin, habe ich Menschen für Menschen zu verdanken.”

Almaz Gebremedene, 35, ist eine kluge Wirtin. Komplimente ihrer Gäste nimmt sie mit einem Lächeln entgegen, geht aber nicht weiter darauf ein. Wenn ein Gast ein Glas zu viel getrunken hat, verweigert sie ihm ein neues. Und Streithähne setzt sie sofort vor die Tür. „Doch die allermeisten Gäste sind immer brav“, sagt sie: Bei Almaz ist es so gemütlich, dass niemand ein Hausverbot riskieren mag.

Das Rezept für ihren Honigwein hat sie von ihrer Mutter geerbt. Verraten will sie es auf keinen Fall. „Nur soviel: Ich benutze besonders viel und besonders guten Honig.“ Es gibt auch reichlich unvergorene Limonaden in ihrem beliebten Wirtshaus in Lalo in der Provinz Illubabor. An Rohstoff mangelt es Almaz nicht: Viele Bauern in der Region haben in Kursen von Menschen für Menschen die Imkerei erlernt.

Imkerkurs
Imker erlernen in einem Bienenhaltungs-Kurs den Umgang mit verbesserten Bienenkörben.

„An guten Tagen nehme ich 300 Birr ein“, erzählt Almaz, umgerechnet zwölf Euro. „Das ist ein sehr guter Verdienst für mich: Früher war das mein Monatsgehalt!“ Bis vor sechs Jahren machte sie in Gebäuden der Distriktverwaltung sauber. „Über den ständigen Sorgen ums Geld ging meine Ehe kaputt“, erzählt Almaz. „Doch mit einem Kleinkredit von Menschen für Menschen änderte sich mein Leben radikal.“ 2.500 Birr erhielt sie, umgerechnet 100 Euro.

Auf Frauen wie Almaz ist Aster Tefera, 55, stolz. Zehn Jahre lang hat die Mitarbeiterin der Stiftung Menschen für Menschen in der heute abgeschlossenen Projektregion Illubabor das Kleinkreditprogramm aufgebaut und begleitet: „Die Frauen konnten kaum selbst Geld verdienen. Ihren Geschäftsgeist zu wecken gibt der Entwicklung im Gebiet einen großen Schub und hilft den Familien, da nun auch die Männer entlastet werden.“

Aster Tefera
Frauenprogramm-Koordinatorin Aster Tefera im Projektgebiet Dano.

Viele Geschäftsideen

Insgesamt haben in Illubabor rund 4.800 Frauen Kredite erhalten, mit denen sie ihre Geschäftsideen verwirklichen. Manche betreiben Kleinhandel mit Getreide, andere kaufen Vieh und mästen es, um es mit Gewinn wieder zu verkaufen. In den Kleinstädten eröffnen die Frauen Schneidereien, Läden, Teestuben und Restaurants. Nach zwei Jahren müssen sie ihren Kredit zurückgezahlt haben. Dann können sie einen neuen beantragen, um ihr Gewerbe zu erweitern.

Anfang 2013 hat sich Menschen für Menschen aus Illubabor zurückgezogen, Aster Tefera organisiert jetzt die Wirtschaftskraft der Frauen im neuen Projektgebiet Dano. Die Nachhaltigkeit des Programms in Illubabor ist derweil gesichert: „43 Spar- und Kreditgruppen, die von Menschen für Menschen initiiert wurden, wirtschaften nun selbständig weiter“, erklärt Aster Tefera.

Auch Almaz Gebremedene hat weitere Kredite erhalten und wieder abbezahlt. Nun hat sie sogar einen Fernseher, damit die Gäste Fußballspiele sehen können. Aber am wichtigsten: Ihr ältester Sohn Bamlak, 18, möchte nach der Schule Bauingenieur werden. „Ich werde ihm das Studium ermöglichen“, erklärt Almaz und lächelt stolz.

Schneiderin
Mestawete Ahmed, 32, Schneiderin, die ihr Handwerk in einem Kurs von Menschen für Menschen gelernt hat.
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