Idir und Iqub: Solidargemeinschaften sind Äthiopiens Rückgrat

24
Juni 2019

Land & Leute

In einem Land wie Äthiopien, das über kein flächendeckendes Versicherungs- oder Rentensystem verfügt und in dem die große Mehrheit der Menschen keine Ersparnisse besitzt, spielen Solidargemeinschaften eine zentrale Rolle für die Gesellschaft. Sie sind Äthiopiens stabiles Rückgrat.

Eine Beerdigung kann in Äthiopien ein ganzes Dorf lahmlegen. Jedenfalls dann, wenn die oder der Verstorbene eine einflussreiche Person war. In diesem Fall wird der Leichnam auf einer Kutsche oder in einem weißen Minibus, die auf dem Land oft als Taxis dienen, aufgebahrt und in Schrittgeschwindigkeit zum Friedhof gefahren. An der Trauerprozession nehmen oft mehrere Hundert Menschen teil: die Frauen in weißen oder schwarzen Gewändern, die Männer in ihren besten Hosen und Jacketts. Der Autoverkehr auf der staubigen Piste steht dann für eine Weile still.

Friedhof in Babile

Nach der Beisetzung besuchen die Gäste die Angehörigen, um ihr Beileid zu bekunden – und um am Leichenschmaus teilzunehmen. Essen und Trinken für eine so große Gesellschaft: Dieser Teil der Trauerfeier würde die meisten Familien auf absehbare Zeit ruinieren – denn, dass jemand einflussreich war, muss noch lange nicht bedeuten, dass er auch reich war.

Dass die Feiern dennoch abgehalten werden können, hängt mit einer traditionellen Form der Solidargemeinschaft zusammen, dem Idir. Auf dem Land, aber auch in den Städten, schließen sich Familien zu solchen Gruppen zusammen. Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich zumeist auf umgerechnet einen Euro im Monat.

Von Idir und Iqub profitieren alle Beteiligten

Im Gegenzug organisiert die Gemeinschaft die Trauerfeier, wenn ein Mitglied einer Familie stirbt. Das umfasst auch die Zubereitung des Essens für die zahlreichen Trauergäste. Auch bei Problemen, die nach dem Todesfall entstehen können, unterstützt der Idir. Vermehrt versorgt er auch alte Menschen, die keine Verwandten mehr im Dorf haben. Eine Funktion, die mit der einsetzenden Landflucht an Bedeutung gewinnt.

Wenn der Idir wie eine Versicherung funktioniert, dann entspricht eine weitere Form der Finanzgemeinschaft, der Iqub, der klassischen Bank.

Die Mitglieder eines Iqub zahlen über einen längeren Zeitraum in eine Gemeinschaftskasse ein. Wenn sich umgerechnet einige Hundert Euro angesammelt haben, wird der Betrag an ein Mitglied ausgezahlt. Das geht reihum, sodass jeder einmal in den Genuss der Summe kommt. Das Geld investieren die Mitglieder je nach Bedarf in eine Hochzeit, in den Hausbau oder in ein Kleingewerbe.

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