Verstirbt in Äthiopien ein geliebter Mensch, kann die Beerdigung ein ganzes Dorf lahmlegen. Zumindest, wenn die bzw. der Verstorbene zu Lebzeiten einflussreich war. An der Trauerprozession nehmen oft mehrere hundert Menschen teil. Eine spärlich besuchte Beerdigung bedeutet nach äthiopischem Verständnis, dass der verstorbene Mensch nicht hoch angesehen oder unbeliebt war – eine Scham für die Familie.

Beerdigung auf äthiopisch: Klageweiber sorgen für Stimmung
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Die Frauen sind auf einer Beerdigung in weißen oder schwarzen Gewändern gekleidet, die Männer elegant in Hose und Jackett. Und: Die christlich-orthodoxe Bestattungskultur zeichnet sich aus durch eine öffentlich geäußerte Trauer. Das Weinen und Herausschreien des Schmerzes über den Tod des Verstorbenen ist nicht nur zugelassen, sondern wird sogar erwartet.
Klageweib als bezahlter Nebenjob
Anwesende auf einer äthiopischen Beerdigung – Männer wie Frauen – weinen, jammern, schreien ihre Trauer und schlagen sich dabei an die Brust. Sie raufen sich wortwörtlich die Haare und lassen sich nicht trösten. Das laute Jammern soll an das Leben der Verstorbenen erinnern und stellt ein Gebet um Erbarmen dar.
Bei der Totenwache und der Beerdigung nehmen oft Klageweiber teil, die gegen Bezahlung um den Verstorbenen klagen. Sie jammern nicht nur lautstark mit den Angehörigen, sondern greifen auch die vorgeschriebenen Gebete auf und rezitieren sie. Diese Gesänge wirken zwar spontan, folgen aber von der Tradition vorgegebenen Mustern. Verwandte und Freunde beklagen das grausame Schicksal der Verstorbenen sowie dessen Familie und loben die Klagelieder.
Dieses “Schauspiel” muss von Klagefrauen entsprechend geübt werden, um am Tag der Beerdigung glaubwürdig zu erscheinen. Es dient dazu, den verstorbenen Menschen zu ehren. Im traditionell geprägten Äthiopien wird diese Form der Trauerbewältigung noch heute gelebt – zumindest in den Städten, wo mehr wohlhabende Menschen als auf dem Land leben.
Frauen – meist sind es Hausfrauen im mittleren Alter – klagen als Nebenberuf gegen Bezahlung auf Beerdigungen. Für etwas Geld heizen die Klageweiber quasi die Stimmung an, um es den Anwesenden zu erleichtern, ihre Trauer zu äußern. Es handelt sich dabei um Frauen, die sozial gut vernetzt sind und sich gewählt ausdrücken können. Das ist notwendig, um die Klagelieder authentisch vortragen zu können.
Einjährige Trauerphase
Nach der Beisetzung, die meist noch am Todestag stattfindet, werden die Angehörigen des Toten drei Tage im Haus nicht alleine gelassen – Freunde, Angehörige und Nachbarn stehen ihnen in der Trauer bei. Je nach Wohlstand der Familie wird noch zwischen 15 bis 30 Tagen gefeiert, gegessen und gemeinsam getrauert. Danach ist die Trauerphase aber noch lange nicht beendet: insgesamt erstreckt sich diese über ein Jahr. Dem Toten wird im Anschluss in der Kirche an religiös vorgeschriebenen Tagen gedacht. Diese Feierlichkeiten stellen das kollektive Abschiednehmen eines verstorbenen Menschen dar. Zudem tragen Frauen nach dem Ableben ihres Mannes schwarze Kleidung, während Männer wiederum sich ebenso lange nicht rasieren.