Das Zentrum für gehörlose Kinder in der südäthiopischen Stadt Awassa, gegründet von Amsalu Desse.

Helfende Hände: ein ehemaliges Abdii-Borii-Kind hilft Gehörlosen

18
Dez. 2024

Aktuelles

Welches Obst beginnt mit dem Buchstaben ‚A‘?“, fragt die Englischlehrerin ihre Vorschulklasse. Sieben Schülerinnen und Schüler zwischen vier und sieben Jahren schauen sie mit wachen Augen an. Ein Mädchen formt ihre Hand vor dem Mund zu einer Gebärde: „Apfel“. Die Lehrerin lächelt und hebt wie alle anderen ihre offenen Hände über den Kopf, dreht sie schnell nach rechts und links. „Das sind unsere Jüngsten“, erklärt Amsalu Desse, nachdem er seine Arme nach dem lautlosen Beifall wieder gesenkt hat. Der 38-Jährige steht am Rand des Klassenraumes im Zentrum für gehörlose Kinder mitten in der südäthiopischen Stadt Awassa. Amsalu hat es vor vier Jahren eröffnet.

 

„Es ist wichtig, dass die Kinder früh lernen, zu gebärden“, sagt er. „Damit eröffnet sich für sie eine neue Welt.“ Diese bleibt gehörlosen und hörgeschädigten Menschen in Äthiopien bisher oft verschlossen: Es fehlt sowohl an medizinischem Gerät, um Patienten auf Hörschädigungen zu testen als auch an Wissen über Gehörlosigkeit und deren Ursachen und an Bildungsangeboten. Viele lernen nie, sich richtig zu verständigen. „Dabei befähigt Sprache zum Denken“, sagt Amsalu. Er weiß, wie wichtig es ist – besonders als Kind – gefördert zu werden. Als er fünf Jahre alt war, starb seine alleinerziehende Mutter an Tuberkulose. Amsalu kam ins Abdii-Borii-Kinderheim. „Eine meiner Schwestern im Heim war gehörlos“, erzählt Amsalu. Da aber niemand an den Schulen in Mettu Gebärdensprache beherrschte, musste sie nach Addis Abeba umziehen.

Kinder lernen am Zentrum für gehörlose Kinder die Gebärdensprache.
Am Zentrum für gehörlose Kinder in der südäthiopischen Stadt Awassa lernen Kinder die Gebärdensprache.

„Ich war so traurig, als sie uns verließ.“ Während seines Studiums belegte Amsalu Kurse in Gebärdensprache, arbeitete als Gebärdendolmetscher für die Universität. Ein Amerikaner, für den er übersetzte, motivierte ihn, eine eigene Hilfsorganisation zu gründen. Er sammelt bis heute in den USA Spenden für die Organisation. Mit dem Geld finanziert Amsalu den Vorschulunterricht, zusätzlich Gebärden-Sprachkurse für Angehörige sowie die Fahrt- und Verpflegungskosten für die Kinder. Fünf Angestellte arbeiten im Zentrum für ihn. Hinzu kommen Dolmetscherinnen und -dolmetscher, die an höheren Schulen in Awassa rund 120 gehörlosen Kindern im Unterricht helfen. Jüngst hat Amsalu außerdem eine Gehörlosen-Grundschule eröffnet, in der elf Lehrkräfte mehr als 60 Kinder unterrichten. Für ältere Kinder gibt es ein Schulferien-Programm, mit Computerkursen und handwerklichen Trainings. „Ich möchte irgendwann mein Angebot auf ganz Äthiopien ausweiten“, träumt Amsalu. „Und so möglichst vielen eine Perspektive bieten. Wie Menschen für Menschen.

Am Zentrum für gehörlose Kinder in der südäthiopischen Stadt Awassa lernen Kinder die Gebärdensprache.
Am Zentrum für gehörlose Kinder in der südäthiopischen Stadt Awassa lernen Kinder die Gebärdensprache.

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