Während andere Kinder im Dorf die Welt auch spielend und lernend erkunden konnten, musste sie Verantwortung übernehmen wie eine Erwachsene. „Ich bin stolz auf das, was ich geleistet habe“, sagt sie. „Aber der Preis war hoch: Ich habe nie lesen und schreiben gelernt.“
Biografien wie die von Tiringo Maschaw sind in Äthiopien und anderen Entwicklungsländern keine Seltenheit. Der Weltbildungsbericht der UNESCO 2016 zeigt: Etwa 758 Millionen Menschen auf der Welt sind Analphabeten, fast zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Bereits 1966 haben die Vereinten Nationen mit der Einführung des „Weltalphabetisierungstags“, der jährlich am 8. September stattfindet, auf das globale Problem hingewiesen. Seither hat sich die Situation verbessert, doch bis heute ist mangelnde Bildung ein Problem in Entwicklungsländern.
Der größte Anteil der Analphabeten verteilt sich auf nur zehn Länder, zu denen auch Äthiopien gehört: Rund 50 Prozent aller Menschen im Land, die 15 Jahre oder älter sind, können weder lesen noch schreiben. Viele Kinder müssen auf dem Feld mit anpacken, andere sind zu schwach für den weiten Fußmarsch zur nächsten Schule. Eine Folge von Mangelernährung. Viele Mädchen verpassen während ihrer Menstruation den Unterricht. Sie bleiben zu Hause, weil ihnen Wechselwäsche und Binden fehlen.
Auch Traditionen können ein Bildungshemmnis sein: In ländlichen Regionen, wo die Menschen das Überleben ihrer Familien seit Generationen mit den bloßen Händen sichern, gilt Schulbildung zum Teil als überflüssig. Warum die Zeit mit Büchern verschwenden, wenn das Getreide reif ist? Auf diese Weise pflanzt sich der Mangel an Bildung immer weiter fort.