“Es war nicht leicht, sie davon zu überzeugen, dass ich Schlosserin werden will”, sagt Yordanos Tirumay. Technische Berufe sind in Äthiopien, mehr noch als in der westlichen Welt, eine Männerdomäne. Doch langsam wandeln sich die Rollenbilder.
Ein Vorbild fand Yordanos am TVET in Adi Gudom: Lemlem Gebre-Tinsa, 23 Jahre alt, ist gelernte Schlosserin. Als weibliche Ausbilderin in einem “Männerberuf” ist sie eine Seltenheit, nicht nur in Adi Gudom. “Am Anfang waren die männlichen Schüler ein wenig skeptisch”, erzählt Lemlem und schmunzelt. “Aber solche Zweifel kenne ich ja schon lange. Auch meine Eltern dachten mal, ich würde mit der Ausbildung nur meine Zeit und ihr Geld verschwenden.” Sich gegen die Widerstände der patriarchalen Gesellschaft durchzusetzen, sei nicht einfach. “Aber wenn wir für unsere Träume kämpfen und gute Arbeit leisten, werden wir akzeptiert”, ist Lemlem überzeugt. In der Schlosserwerkstatt von Adi Gudom wundert sich jedenfalls niemand mehr über die zierliche Lehrerin an den schweren Maschinen.
Berufliche Perspektiven für junge Menschen zu schaffen, ist ein entscheidender Baustein für ein zukunftsfähiges Äthiopien. Denn das Land erlebt derzeit vor allem in Städten, wo der wirtschaftliche Aufschwung spürbar ist, einen tiefgreifenden demografischen Wandel. Auch eine bessere medizinische Versorgung und mehr Bildung haben dazu beigetragen, dass die Geburtenrate im Land in den vergangenen 25 Jahren drastisch gesunken ist. Bekam eine Frau 1990 im Durchschnitt mehr als sieben Kinder, sind es 2014 nur noch etwa vier. Bis 2030 könnte die Zahl gar auf 2,6 Kinder pro Frau fallen. Die Folge ist eine Gesellschaft, deren Altersstruktur Chancen wie Risiken birgt. Ein großer Bevölkerungsanteil im arbeitsfähigen Alter, der nur wenige Kinder und Rentner mitversorgen muss, kann zum Wachstumsmotor einer ganzen Volkswirtschaft werden. Gelingt es jedoch nicht, diesen jungen Menschen Perspektiven zu bieten, locken Kriminalität und Drogen, drohen Radikalisierung und eine verschärfte Landflucht. Ein kollektives Scheitern einer solchen Menge junger Menschen könnte das ganze Land destabilisieren.