
Die Zukunft im Beet
Eine Baumschule für Boreda
Eine der ersten Aktivitäten in neuen Projektgebieten ist das Einrichten von Baumschulen. Im Dorf Chelbe im Projektgebiet Boreda wachsen Bäume, Gräser und Kaffeepflanzen heran. Bald folgen Avocados. Menschen für Menschen schafft so Grundlagen für den Kampf gegen Erosion und Klimawandel, für die Unterstützung von Kleinbauern – und nebenbei wichtige Arbeitsplätze.
Grüne Zukunft für Boreda
Es ist Fließbandarbeit unter freiem Himmel: Rund 50 Frauen und Männer widmen sich an mehrere Stationen konzentriert ihren Aufgaben. Während zwei Plastikröllchen schneiden, füllen andere sie mit Erde. Wieder andere verteilen Kaffeebohnen in die Pflanzschläuche und bedecken sie mit Matten aus trockenem Gras, um sie vor der Sonne zu schützen. „Wir müssen uns mit der Aussaat des Kaffees beeilen“, sagt Tesfalidet Gebrekidan, der Projektmanager in Boreda.
Seit Anfang 2023 ist die Stiftung hier aktiv, in der Region rund 400 Kilometer südlich von Addis Abeba. Gleich zu Beginn suchte Tesfalidet nach geeigneten Standorten für die zwei Baumschulen. „Ein nährstoffreicher Boden, die Nähe zu Wasser und eine gute Erreichbarkeit sind wichtig“, sagt er.

Im Dorf Chelbe wurde er fündig. Zunächst begradigten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Baumschule das Land und legten Beete an. Dort wachsen heimische Bäume heran. „Mit ihnen forsten wir in Zukunft gerodete Flächen wieder auf“, erklärt Tesfalidet. Wie in vielen Regionen Äthiopiens sind auch in Boreda große Waldflächen für Feuerholz und Baumaterial abgeholzt worden.
In der Baumschule gedeiht bereits Elefantengras, das Bauern zur Befestigung ihrer Äcker nutzen können. Bald pflanzen Mitarbeitende erste Avocado-, Papaya- und Apfelbaumsetzlinge. „Ganz besonders freue ich mich auf den Moment, wenn wir sie an die Familien verteilen können“, sagt Tesfalidet. Er arbeitet seit zwei Jahrzehnten bei Menschen für Menschen und weiß: „Es wird das Leben der Menschen deutlich verändern.“
Zertifizierte Bohnen
Zum Beispiel das von Lukas Gona. Der 32-Jährige lebt gemeinsam mit seiner Frau und der kleinen Tochter im nahegelegenen Dorf Hardeta. Er ist der Älteste von sechs Kindern. Wie es die Tradition möchte, wurde das Grundstück der Eltern unter den Söhnen aufgeteilt. Lukas bekam den größten Teil. Auf einem Hektar Land baut er Kartoffeln und Mais an. Seine Eltern vererbten ihm mit dem Grundstück auch einige Zierbananen-Stauden und Mangobäume. Der Landwirt hält außerdem eine Kuh, einen Ochsen, Ziegen und Hühner. Die Eier verkauft seine Frau auf dem Markt. Ebenso einen Teil des Kaffees, der hinter seinem Haus wächst. Das Paar verdiente zuletzt mit 100 Kilogramm Kaffee Kirschen 5.000 Birr, umgerechnet rund 80 Euro. Eine gute Saison.
„In der Vergangenheit sind Ernten aber auch schon komplett ausgefallen“, sagt Lukas. Viele seiner Arabica-Pflanzen sind von der Kaffeekirschen-Krankheit betroffen, bei der ein Pilz die Frucht befällt. Sie wird schwarz, fault und fällt ab, noch bevor sich Bohnen bilden können. Bestimmte klimatische Bedingungen begünstigen die Entstehung und Intensität der Krankheit.

„Die Kaffeesorten, die wir nutzen, sind resistenter“, erklärt Projektleiter Tesfalidet. Nur von Forschungsinstituten zertifizierte Bohnen werden in den Beeten der Baumschule gezüchtet und an die Bauern verteilt. Dass er so in Zukunft keine weiteren Ernteeinbußen befürchten muss, freut Lukas. „Der Verkauf des Kaffees ist sehr wichtig für mich“, sagt er. Der Landwirt trägt eine große Verantwortung, nicht nur für seine Frau und Tochter, auch für den Rest seiner Familie. Sein Vater und einer seiner Brüder sitzen im Gefängnis. Zu Unrecht, sagt Lukas. Er kümmert sich in ihrer Abwesenheit um seine Mutter, die Schwägerin, um Nichten und Neffen. Sie alle leben in Hardeta in benachbarten Hütten. Lukas finanziert ebenso das Studium von zwei weiteren Brüdern. „Wenn ich mithilfe der Stiftung meinen Anbau von Kaffee und Früchten verbessern kann, wird es alle beeindrucken“, sagt Lukas. Er möchte ein gutes Vorbild sein.
Einkommen dank Kaffee
Während Lukas noch ein paar Monate auf die Setzlinge aus der Baumschule warten muss, profitieren andere Dorfbewohner schon. So wie Meskerem Ossa, die in Chelbe geboren ist und dort nun einen Job fand. Zu Beginn erhielt sie ein fünftägiges Training, heute kümmert sie sich gemeinsam mit einigen anderen um das Einpflanzen der Kaffeebohnen. „Passt auf, dass ihr sie richtig herum in die Erde steckt, mit der Einkerbung nach unten“, appelliert Tesfalidet, als er bei der Gruppe anhält. Meskerem nickt. Sie möchte alles richtig machen. „Ich verdiene hier endlich mein eigenes Geld“, sagt sie. Etwa 3.500 bis 4.000 Birr, rund 55 bis 65 Euro im Monat.
Nach der neunten Klasse verließ die heute 25-Jährige die Schule. Sie half ihrer Mutter im Haushalt, verkaufte Maiskolben am Straßenrand oder versuchte sich im Besticken von Tischdecken. Ausreichend Geld für ein eigenständiges Leben verdiente sie damit nicht. Sieben Jahre vergingen. „Ich fühlte mich so nutzlos“, sagt Meskerem. „Und abhängig von meinen Eltern.“

Vor zwei Jahren heiratete sie und zog aus. Statt der Eltern musste nun ihr Mann für sie sorgen, der als Weber arbeitet. „Das ist nun vorbei“, sagt Meskerem. Das Paar hat eine gemeinsame Tochter. Meskerem möchte ihr ein besseres Aufwachsen ermöglichen. Sie nimmt sich die nächsten Kaffeebohnen, drückt sie vorsichtig in die Erde. Sie ist zuversichtlich, dass sich dieser Wunsch nun erfüllen wird, denn hier vor ihr wächst die Zukunft Boredas.
Veröffentlicht am 20. September 2023